

Spannende Menschen, spannende Einsätze 01
Egal ob Grenzschutz, Luftsicherheit oder Bahnpolizei - die Einsatzbereiche der Bundespolizei sind so vielfältig, wie die Geschichten und Erfahrungen unserer Polizistinnen und Polizisten, die sie im Laufe ihrer Karriere durchleben. Gemeinsam mit unseren Kolleginnen und Kollegen schwelgen wir deshalb in der Vergangenheit und geben euch hier einen Einblick in einige ihrer spannendsten Einsätze und Situationen bei der Bundespolizei!
Im ersten Teil unserer Interviewserie stellt sich Carsten unseren Fragen und erzählt von seiner Arbeit in der Kriminalitätsbekämpfung der Bundespolizei.
Hallo, stelle dich gerne kurz vor und sag uns, wer du bist. Erzähle uns über deinen polizeilichen Werdegang und deine aktuelle Verwendung Wie lange arbeitest du schon bei der Bundespolizei?
Hallo, ich heiße Carsten und bin 48 Jahre alt. Ich bin verheiratet, habe Kinder und lebe im Großraum Dresden. Ich bin Polizeihauptkommissar und seit 1997 „Ermittler“.
1993 begann ich meine Ausbildung bei der Bundesbereitschaftspolizei Blumberg und war dann dort in einem Einsatzzug tätig. Die Bundespolizei am Berliner Ostbahnhof suchte 1997 Mitarbeiter für eine Sonderkommission (Soko). Damals galt es zu ermitteln, wer für Diebstähle in Millionenhöhe in einem großen Berliner Umschlagbahnhof verantwortlich war. In der Soko erlernte ich das Ermittlerhandwerk. Danach ergab sich für mich die Chance, dauerhaft in Berlin als Ermittler zu arbeiten. Von 1998 bis 2012 ermittelte ich im Phänomenbereich „Betrug und Urkundenfälschung“ mit Bezügen zum Verkehrsverbund Berlin-Brandenburg. Ziel war es, Täter bekanntzumachen, die zum Beispiel Blanko-Fahrscheinrollen aus Automaten stahlen oder Fahrscheine im großen Stil fälschten um diese dann weiterzuverkaufen.
2012 ergab sich für mich die Möglichkeit bei einer Bundespolizeiinspektion für Kriminalitätsbekämpfung zu arbeiten. Der besondere Reiz für mich war, dass ich dort mein bereits erlerntes Handwerk nochmal auf ein höheres Level bringen konnte. Hier wird im Bereich schwerwiegender Straftaten ermittelt.
1. Auf welche Situationen oder Fälle blickst du gerne zurück und warum?
Bei meinem ersten Verfahren bei der Inspektion Kriminalitätsbekämpfung ging es um einen Täter, der gestohlene und ausgespähte Kreditkartendaten nutzte, um damit preisgünstige Fahrkarten zu kaufen. Dazu schaltete er Anzeigen auf Mitfahrportalen. Er bot Fahrkarten für 30 Euro Festpreis an, unabhängig von der Strecke. Der Verkauf, die Kommunikation und die Bezahlung fand ausschließlich über das Internet statt. Der Täter verursachte insgesamt einen Schaden von ca. 800.000 Euro. Es war für uns ein Novum, die Identität des Täters anhand digitaler Spuren aufdecken zu können. Durch verdeckte Ermittlungsmethoden konnten weitere Ermittlungsansätze und Beweise gewonnen werden, die letztendlich aufgrund eines internationalen Haftbefehls zur Auslieferung des Täters aus seinem Heimatsstaat in die Bundesrepublik Deutschland führten. Hier wurde er für diese Taten zu einer Haftstrafe von 5 Jahren und 6 Monaten verurteilt.
Dass wir die üblichen „Werkzeuge“, welche einer Bundespolizeiinspektion Kriminalitätsbekämpfung zur Ermittlung zur Verfügung stehen, in diesem neuen Phänomenbereich anwenden konnten, führte am Ende zur Verhaftung des Täters. Das war sehr spannend und ich erinnere mich gern daran zurück.
2. Gibt es Situationen, bei denen du lieber nicht dabei gewesen wärst?
Unschön sind immer Situationen, wo man mit einem Suizid im Bahnbereich in Berührung kommt. Davon habe ich einige erlebt.
Bei meiner aktuellen Tätigkeit kommt es während der Auswertung digitaler Beweismittel und Daten vor, dass einem dort Dinge offenbart werden, die man eigentlich nicht sehen möchte. Ich meine hier gewaltverherrlichende Videos, kinderpornografische oder extremistische Inhalte. Diese Erkenntnisse werden umgehend an die zuständigen Fach-Dienststellen zur weiteren Strafverfolgung abgegeben.
3. Was war besonders prägend für dich als Person aber auch als Polizist?
Mein erster Leiter des Ermittlungsdienstes in Berlin war für mich eine prägende Persönlichkeit. Er war studierter Kriminalist. Die fachliche Kompetenz, seine Anleitung und Förderung, die ich durch ihn erfahren habe, nicht nur als Polizist, sondern auch als Mensch, haben meine Einstellung und meine weitere Laufbahn stark geprägt.
Mich motivieren natürlich die Erfolge als Ermittler; Täter zu identifizieren, neue Methoden zu entwickeln und diese dann auch anzuwenden. Aber auch Verfahren in neuen Phänomenbereichen zu führen, die es in der Bundespolizei so noch nicht gab, wie jetzt im Bereich „Cybercrime“.
4. Gibt es für dich einen bisher spannendsten Fall? Wenn ja, kannst du davon erzählen?
Mein spannendster Fall war das Ermittlungsverfahren „Dobby“. (Hier geht’s zum Pressebericht)
Im Sommer 2019 begannen die Ermittlungen gegen einen Täter, der im Darknet verschiedene nationale und internationale gefälschte Ausweise zum Verkauf anbot. Der Täter nutzte als Nickname „Dobby“ inklusive Bild des freundlichen Elf aus der bekannten Filmreihe Harry Potter. Im Grunde ging es darum, aufzuhellen, wer hinter „Dobby“ steckt. Handelt es sich um einen Einzeltäter oder eine Gruppe? Wo befindet sich die Fälscherwerkstatt? Wer kauft die Dokumente an? Welche Wege muss man gehen, um die Identität und den Aufenthaltsort zu ermitteln? Da der oder die Täter im Darknet anonym agieren und sich nicht persönlich mit anderen treffen, um ihre Identitäten zu schützen, musste ein Weg gefunden werden, in Kontakt zu treten. In diesem Cyberverfahren kamen zu diesem Zweck verdeckte Ermittlungsmethoden zum Einsatz.
Bis zur Feststellung der Identität der Täter hat es insgesamt 12 Monate intensiver Ermittlungsarbeit erfordert. Die Aussicht auf Erfolg motiviert auch über längere Zeit, an einem Fall dran zu bleiben.
Besondere Herausforderung bei diesem Fall war, dass die Taten nur aus dem Darknet bekannt waren. Im Darknet bewegen sich die Täter absolut anonym. Bei einem Fall eines Einbruchs z.B. hat man eventuell eine Täterbeschreibung, Einbruchsspuren oder Werkzeuge. Polizeiliche Anfragen an die Betreiber von Marktplätzen im Darknet, wo z.B. Waffen, Drogen, gehackte Daten verkauft werden, führen aber ins Leere, da im Vergleich zum freien Internet, auch die Betreiber „kriminell“ sind und so unbekannt bleiben wollen.
Um mit den Ermittlungen voran zu kommen, musste man sich in die Personen hineinversetzen. Welche Spuren haben die Täter im Internet hinterlassen, um ihre anonymen Identitäten im Darknet aufzubauen? Das gelingt nur, wenn man neue Ermittlungswerkzeuge erprobt und im digitalen Raum zum Einsatz bringt. So fügte sich ein Puzzleteil ums andere zusammen.
Am Ende konnten wir neben den Tätern eine hoch professionell ausgestattete Fälscherwerkstatt feststellen und die Verantwortlichen „auf frischer Tat“ verhaften. Das machte das Ermittlungsverfahren „Dobby“ besonders für mich.
Danke dir für die Zeit und alles Gute für die Zukunft, Carsten!